Linsenluxation
Ätiologie
Die teilweise oder gänzliche Zerstörung der Zonulafasern führt zur Subluxation bzw. Luxation der Linse in die vordere Augenkammer, in äquatorialer Ebene oder in die hintere Augenkammer 426. Primäre Linsenluxation kommt bei Katzen sporadisch und in vorangeschrittenem Alter 122,441 von im Mittel sieben bis neun Jahren vor 94. Berichte inkludieren die Rassen Siam- und Europäisch-Kurzhaar-Katzen 430,441. Mikrophakie und senile Zonuladegeneration sind weitere potentielle Ursachen 394.
In den meisten Fällen ist der Prozess sekundär und assoziiert mit chronischer Uveitis oder einem Glaukom 430, seltener mit einem Trauma 557. Die bei Uveitis vorkommenden Entzündungsmediatoren und veränderte Kammerwasserzusammensetzung schwächen die Zonulafasern und können deren Degeneration herbeiführen 426. Die Vergrößerung des Bulbus (Buphthalmus) durch ein Glaukom führt zum Zerreißen derselben. Nicht penetrierende Verletzungen, sondern stumpfe Traumen können eine Ruptur der Zonulafasern und sich anschließende Linsenluxation verursachen, die häufig begleitet wird von weiteren okulären Schäden.426
Differentialdiagnostisch sind drüber hinaus Katarakt und damit einhergehende Linsenschwellung oder intraokuläre Neoplasien als Ursache einer sekundären Linsenluxation in Betracht zu ziehen 426.
Symptome und Diagnose
Ein frühes Anzeichen einer Subluxation oder Luxation der Linse sind durch die Pupillenöffnung in die vordere Augenkammer drängende Vitreusfibrillen, die sich als dünne, weiße, wolkige Substanz darstellen 543. Die Iris, die nun nicht länger auf der Linsenvorderfläche aufliegt, ist flach oder gar konkav und zeigt vibrierende Bewegungen. Diese werden als Iridodonesis betitelt und entstehen, indem sich Augenbewegungen auf die lose Linse übertragen und deren Schwingungen sich weiter auf die Iris auswirken. 426
Im Falle einer posterioren Luxation sinkt die Linse ohne den Halt der Zonulafasern aufgrund der Schwerkraft nach unten und lässt eine aphakische Pupillenöffnung zurück. Ist die Luxation frisch, liegt die Linse dem Vitreus auf und ihr Rand ist in der Pupille sichtbar (aphakischer Halbmond). Durch die Beweglichkeit der Linse gerät die posteriore Linsenfläche in Kontakt mit dem Vitreus und führt zu dessen Verflüssigung und dem Ersatz durch Kammerwasser (Synerese). Ist dieser Prozess eingetreten, sinkt die Linse weiter ab. In der Untersuchung ist der Augenhintergrund dann ohne Ophthalmoskop sichtbar. 426
Die vordere Augenkammer ist beim Vorliegen einer Linsenluxation aufgrund der veränderten Iriswölbung tiefer als gewöhnlich. Liegt die Linse anterior, füllt sie die vordere Augenkammer aus und drängt die Iris nach posterior. Der Kammerwinkel ist weit und vergrößert, wenn die Iris durch die nach posterior gefallene Linse Platz freigibt. 426 Eine nach anterior luxierte Linse kann in der Untersuchung schwer darzustellen sein, da sie häufig von einem hochgradigen Korneaödem begleitet wird. In dem Fall hilft eine starke Lichtquelle, mit der die vordere Augenkammer aus einem 45° Winkel betrachtet wird. 505
Liegt die Linse jedoch vor der Iris oder direkt in der Pupillaröffnung, kann es zu Komplikationen wie einem Sekundärglaukom durch Blockade des Kammerwinkels oder der Pupille durch Linse bzw. Vitreusmaterial kommen oder zu Schäden des Korneaendothels und damit einem Korneaödem 426. Da die Katze eine tiefere vordere Augenkammer besitzt als der Hund, ist die Entstehung eines Glaukoms vergleichsweise selten 505 und verläuft weniger akut 543. Eine anteriore ist im Gegensatz zur posterioren Linsenluxation häufig mit Anzeichen okulärer Dolenz verbunden, da der Kontakt der Linse zur Kornea schmerzt 505. Häufig fallen in der klinischen Untersuchung Schmerzsymptomatik wie Blepharospasmus, Epiphora, diffuses Korneaödem, erhöhter intraokulärer Druck und die in der vorderen Augenkammer sichtbare Linse auf 94. Teils entsteht tiefe korneale Neovaskularisation 543.
Ist das Augeninnere durch ein ausgeprägtes Korneaödem nicht einsehbar, empfiehlt sich eine sonographische Untersuchung 426.


Therapie
Die Therapie der Wahl ist die Durchführung einer intrakapsulären Linsenextraktion 557. Dabei wird die Linse im Ganzen in der Kapsel entfernt 505. 89,5% operierter Patienten profitieren von diesem Eingriff 430. Die Prognose ist bei Katzen nach Linsenextraktion gut 505.
Dennoch stehen für die Behandlung einer posterioren Linsenluxation mehrere Optionen offen. Neben der Linsenextraktion existiert die Alternative der Langzeittherapie mit einem Miotikum, welches die Linse in der hinteren Augenkammer hält. Dieser Weg birgt nicht die Gefahr einer Netzhautablösung durch den chirurgischen Eingriff. 94 Der Besitzer muss hierfür ausgiebig über die Anzeichen eines Glaukoms unterrichtet werden, um frühzeitig eingreifen zu können. Diese Option bietet sich an, wenn das Tier nicht narkosefähig oder eine Operation ausgeschlossen ist.
Die Linse wird durch Reklination in die hintere Augenkammer bewegt und anschließend durch eine dauerhafte Therapie mit einem Miotikum dort gehalten. 426 Dafür eignet sich Pilocarpin (1-4% viermal täglich appliziert) oder Latanoprost (einmal täglich appliziert) 543. Gelingt der Versuch nicht am wachen Tier, kann bei gegebener Narkosefähigkeit eine Sedation die Durchführung erleichtern, da sich die okuläre Muskulatur entspannt. Andernfalls kann die Verabreichung hyperosmolarer Agentien das Volumen des Vitreus schrumpfen lassen. 426
Eine anteriore Linsenluxation ist als Notfall einzustufen. Die Linse muss so zeitnah wie möglich per intrakapsulärer Linsenextraktion oder Phakoemulsifikation entfernt werden. Als Komplikationen bei diesem Eingriff sind Vitreusvorfall und sekundäre Glaukomentstehung beschrieben. Um dem vorzubeugen, gibt es die Optionen eine Kunstlinse einzusetzen oder eine Vitrektomie durchzuführen. Eine künstliche Linse verbessert zusätzlich den Visus. 426
Sekundär entstandene Subluxationen oder Luxationen der Linse, hervorgerufen beispielsweise durch ein chronisches Glaukom, sollten nicht chirurgisch versorgt werden, da der Eingriff zu einer gravierenden Verschlimmerung der anterioren Uveitis und des Glaukoms führen würde und der Erhalt des Visus kaum profitiert. Für blinde Patienten mit luxierter Linse ist eine Enukleation sinnvoll. 505