Keratokonjunktivits sicca
Ätiologie
Keratokonjunktivitis sicca (KCS) wird definiert als Tränenfilmdefizienz der Kornea und Konjunktiva und resultiert aus zu geringer Tränenproduktion durch die Tränendrüse oder mangelhafter Zusammensetzung des Tränenfilms. 543
Bei Katzen ist die Entstehung einer KCS sekundär nach chronischer Blepharokonjunktivitis durch rekurrierende bzw. chronische FHV-1 Infektionen am wahrscheinlichsten. 551 Die Erkrankung wurde bei mit FHV-1 infizierten Katzen nachgewiesen. 338,417 Durch die Folgen der Virusinfektion entsteht eine Fibrose der Ausführungsgänge der Tränendrüse. 333
Nach parasympathischer Denervation der Tränendrüse, beispielsweise bei Dysautonomie oder einer Trigeminusläsion kann es zu einer neurogenen Form der KCS kommen. 299,551 Diese tritt meist unilateral auf und involviert das ipsilaterale Nasenloch, welches auch austrocknet. Chirurgische Entfernung der Nickhautdrüse oder kongenitale Lidrandagenesien verursachen eine zu geringe Produktion von Tränenfilmanteilen und sind weitere mögliche Ursachen , ebenso wie Nährstoffmängel, beispielsweise Hypovitaminose A. 543
Eine vorübergehend reduzierte Produktion von Tränenflüssigkeit liegt bei der Anwendung von einzelnen Medikamenten wie Atropin oder Ketamin vor. 14
Für die feline KCS gilt eine hereditäre Komponente als ausgeschlossen, auch immunmediierte KCS wurde bislang nicht beschrieben. 551
Symptome und Diagnose
Quantitative Keratokonjunktivitis sicca
Keratokonjunktivitis sicca ruft typische pathologische Veränderungen hervor. Liegt ein Mangel der wässrigen Phase des Tränenfilms vor, eine sogenannte quantitative KCS, wird dieser in akuten Phasen hyperton, was zur Dehydrierung sowie Ödemen der Kornea und Konjunktiva führt. Auch Hypoxie des Korneaepithels sowie des subepithelialen Stromas treten schon früh im Krankheitsverlauf auf. 288 Durch die Trockenheit folgt stärkerer Abrieb des Epithels durch Friktion und vakuoläre Degeneration. Auf diese Weise freigelegte Nervenenden des N. trigeminus verursachen nun okulären Schmerz und die ausgedünnte Kornea ist anfällig für Ulzerationen. Kompensatorisch reagiert das Auge mit konjunktivaler Hyperplasie und vermehrter Muzinproduktion. Metaplasie und Hyperkeratinisierung der Hornhaut führen zu einer unregelmäßigen Hornhautoberfläche, woran der verbleibende Tränenfilm noch schlechter haftet und ein sich selbst unterhaltender Zyklus entsteht. Die wässrige Phase des Tränenfilms enthält antimikrobielle Substanzen, deren Fehlen das Auge anfälliger für Sekundärinfektionen werden lässt. Der Kornea werden mit vermindertem Tränenfilm außerdem ein signifikanter Anteil metabolisch bedeutsamer Substanzen vorenthalten. Ein trockenes Auge ist demnach als immunsupprimiert und unterversorgt anzusehen. 333
Qualitative Keratokonjunktivitis sicca
Die Qualitative KCS kann durch Störungen der inneren Schleimschicht (Muzinschicht) oder der äußeren Lipidschicht des Tränenfilms verursacht werden. Resultiert aus chronischer Entzündung, Fibrose, Hypo- oder Metaplasie eine verminderte Anzahl konjunktivaler Becherzellen, kann keine ausreichende Menge Muzin produziert werden. Da die Muzinschicht für adäquate Bindung der wässrigen Phase an die Hornhautoberfläche verantwortlich ist, kommt es beim Mangel zu unregelmäßiger Wasserbindung und stellenweiser Austrocknung der Kornea. Ist nicht die Konjunktiva, sondern der Lidrand und somit die Tarsaldrüsen betroffen, mangelt es an Lipiden, die die wässrige Phase vor Verdunstung schützen. 333
Bei Katzen treten oft eine konjunktivale Hyperämie und eine milde, diffuse korneale Trübung durch epitheliale Hyperplasie auf. Korneale Ulzerationen sind teilweise zu beobachten. Nur in seltenen Fällen kommen Augenausfluss, korneale Vaskularisation oder Pigmentierung vor. 551
Die Diagnose KCS wird anhand klinischer Symptome sowie reduzierter Werte im Schirmer-Tränen-Test gestellt. Bei Katzen liegt der physiologische Wert des Schirmer-Tränen-Tests bei etwa 17mm/min, Werte von unter 5 mm/min gelten als diagnostisch. 551
Häufig kommen niedrige Werte im STT bei Katzen vor gänzlich ohne Symptome zu verursachen 594,607 oder werden durch Aufregung der Tiere in der klinischen Untersuchung verfälscht. Weitere, wertvolle Tests sind die Tränenfilmaufrisszeit sowie eine Bengalrosa-Färbung. Physiologische Werte der Tränenfilmaufrisszeit liegen bei Katzen zwischen 12 und 21 Sekunden. 119 Der Test hilft bei der Unterscheidung zwischen qualitativer und quantitativer KCS, indem bei einer verkürzten Tränenfilmaufrisszeit und normalen Ergebnissen im STT von einer fehlerhaften Zusammensetzung der mukoiden (inneren) oder lipidhaltigen (äußeren) Phase des Tränenfilms auszugehen ist. Außerdem kann eine verminderte Tränenfilmaufrisszeit speziell bei brachyzephalen Katzen mit großen, hervortretenden Augen auf ein sich entwickelndes Korneasequester hindeuten. 543
Die Bengalrosa-Färbung ermöglicht die Detektion durch Dehydratation verendeter Zellen und Mukus, indem diese rosarot angefärbt werden. 333
Therapie
Falls eine bekannte primäre Ursache für das trockene Auge besteht, sollte diese behandelt werden. Außerdem erfolgt eine Therapie mit Tränenersatzprodukten und bei entsprechender Indikation eine antibiotische Therapie zur Behandlung von Sekundärinfektionen. Je nach Bedarf werden die Tränenersatzprodukte viel Mal täglich bis zu stündlich appliziert. 551
Das Ziel der Therapie einer KCS ist das Beheben der Entzündung, die Befeuchtung des Auges und die Anregung der Tränenproduktion. Die Therapiedauer beträgt meist Monate oder Jahre. 333
Die topische Anwendung von Ciclosporin bzw. Tacrolimus ist die Therapie der Wahl zur Behandlung der KCS beim Hund. 551 Bei Katzen bleibt der Effekt dieser Medikamente fraglich. 6,213 Bis auf konjunktivale Hypersensitivität sind keine Nebenwirkungen bekannt. 6,213
Liegt eine neurogene KCS vor, ist der Einsatz des Cholinergikums Pilocarpin sinnvoll. 333 Es werden ein bis zwei Tropfen von 0,25 bis 0,5 %iger Lösung über das Futter gegeben. Der Patient muss gut beobachtet werden, da Nebenwirkungen wie Erbrechen, Durchfall oder Salivation auftreten können. 551 Da es bei topischer Anwendung aufgrund seines sauren PH-Wertes Irritationen hervorruft, empfiehlt sich eine systemische Gabe. 333
Bleibt die konservative Therapie erfolglos oder ist impraktikabel, kann als Ultima Ratio eine Transposition des Ductus parotideus helfen. 194,224